Mascha Kaléko

Name:Golda Malka Aufen

Alias:Mascha Kaléko

Geboren am:07.06.1907

SternzeichenZwillinge 22.05. - 21.06

Geburtsort:Österreich-Ungarn (heute Polen).

Verstorben am:21.02.1975

Todesort:Zürich (CH).

Die in Galizien geborene Dichterin beschrieb in ihren Werken die Lebenswelt der kleinen Leute. Dabei fing sie die Atmosphäre im Berlin der 1920er Jahre ein und schuf, charakteristisch für ihre Arbeit, eine ironisch-präzise "Großstadt-Lyrik". Ab 1930 wurde Mascha Kaléko durch ihre humorvollen Zeitungsgedichte in der "Vossischen Zeitung" und im "Berliner Tageblatt" populär. Sie verkehrte im Romanischen Café, einem der Treffpunkte der literarischen Prominenz. Nach dem Erscheinen ihres ersten Gedichtbandes emigrierte sie in die USA. Durch die Entwurzelung veränderte sich der Ton ihrer Gedichte. Anklage, Bitterkeit, Sehnsucht nach der verlorenen Heimat aber auch religiöse Motive fanden sich nun in den Werken. 1956 kam sie erstmals wieder nach Berlin, wo sie vier Jahre später den Fontane-Preis ablehnte, da ein SS-Mitglied teil der Jury war...
Golda Malka Aufen wurde am 7. Juni 1907 in (Chrzanów), Galizien, als uneheliches Kind des deutschstämmigen russischen Fischel Engel und seiner jüdischen Ehefrau Rozalia Chaja Reisel Aufen geboren.

Aufgewachsen ist sie in ärmlichen Verhältnissen. Zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges übersiedelte sie mit ihrer Mutter und Lea, ihrer Schwester, nach Deutschland, wo sie sich in Frankfurt am Main niederließen. 1916 zog die Familie weiter nach Marburg. 1918 zogen sie weiter nach Berlin, wo sie in Spandau wohnend die Schulzeit verbrachte. 1922 schlossen ihre Eltern die Ehe, worauf sie vom Vater adoptiert wurde und den Namen Engel annahm. 1925 wurde sie in der Verwaltung der Arbeiterfürsorge der jüdischen Organisationen Deutschlands als Auszubildende tätig. Indes besuchte sie an der Lessing-Hochschule sowie der Humboldt-Universität in Berlin die Abendkurse in Philosophie und Psychologie. Am 31. Juli 1928 heiratete sie den Hebräisch-Lehrer Saul Aaron Kaléko. Gegen Ende der 1920er Jahre kam Mascha Kaléko mit der künstlerischen Avantgarde Berlins in Kontakt. Dabei lernte sie etwa Else Lasker-Schüler, Erich Kästner, Kurt Tucholsky und Joachim Ringelnatz kennen.

Im Jahr 1929 veröffentlichte Mascha Kaléko erste Zeitungsgedichte in der Zeitung "Querschnitt". 1930 folgten Veröffentlichungen von Gedichten in der "Vossischen Zeitung" und im "Berliner Tagblatt". 1933 erschien bei Rowohlt "Das lyrische Stenogrammheft". Dieses wurde begeistert rezensiert und ein Verkaufserfolg. Im Mai 1933 wurde ihr Gedichtband bereits von den Nazis verbrannt, als sich herausgestellt hatte, dass sie Jüdin war. 1934 druckte Rowohlt dennoch ihr "Kleines Lesebuch für Große" und 1935 eine Neuauflage des Erstlings. Indes erfolgte die Scheidung von Saul Aaron Kaléko. Um 1937 heiratete sie den Dirigenten und Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver. Mit ihm und dem gemeinsamen Sohn Evjatar emigrierte sie 1938 in die USA. Der Verlust von Heimat und Muttersprache traf sie schwer. Folgende Gedichte wurden stark von diesem Kummer geprägt. Ihre Arbeit als Werbetexterin und Kinderbuchautorin sicherte in dieser Zeit das spärliche Einkommen der Familie.

Am 6. Dezember 1945 beteiligte sie sich am New Yorker Progressive Literary Club, eine von Heinrich Eduard Jacob gegründete Initiative zur Pflege der deutschen Literatur im Exil zum Gedenken verstorbener Dichter. Kurz darauf kehrte sie nach Deutschland zurück, wo sie alsbald wieder als Dichterin weitreichende Anerkennung fand. Heinrich Maria Ledig-Rowohlt verlegte darauf erfolgreich 1956 "Das Lyrische Stenogrammheft. Verse vom Alltag". 1960 wurde sie mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet, den sie jedoch öffentlich ablehnte, da sich in der Jury auch ein ehemaliges SS-Mitglied befand. Dem Wunsch ihres Mannes folgend wanderte Mascha Kaléko 1966 nach Israel aus. Hier litt sie erneut unter dem Verlust der kulturellen Identität und der daraus resultierenden Isolation. 1968 verstarb ihr Sohn in New York.

Im Jahr 1973 verstarb im Mann Vinaver. Trotz dieser Schicksalsschläge fand sie erneut die Kraft zu schreiben. 1971 und 1973 veröffentlichte sie die Werke "Wie''s auf dem Mond zugeht" und "Hat alles seine zwei Schattenseiten". 1974 erwuchs mit dem Wunsch in ihre alte Heimat Berlin noch einmal zurückzukehren neuer Lebensmut.

Mascha Kaléko starb am 21. Januar 1975 in Zürich an Magenkrebs.



Ergänzende Personencharakterisierung

Stimme der Zwischenkriegszeit und des Exils

Mascha Kaléko war eine bedeutende Lyrikerin, deren Werk die Erfahrungen und Stimmungen der Zwischenkriegszeit und des Exils in eindrucksvoller Weise einfängt. Ihre Gedichte sind geprägt von einer besonderen Sensibilität für die sozialen und politischen Umbrüche ihrer Zeit. Kaléko verstand es, die Lebensgefühle der Menschen in den 1920er und 1930er Jahren in einer zugänglichen, aber tiefgründigen Sprache auszudrücken. Ihre Texte spiegeln die Unsicherheit, die Sehnsucht nach Geborgenheit und die oft schmerzhaften Erfahrungen von Entwurzelung und Verlust wider, die viele Menschen ihrer Generation erlebten. Diese Fähigkeit, Zeitgeist und individuelle Erfahrungen zu verbinden, macht Kaléko zu einer herausragenden Stimme der deutschsprachigen Literatur.

Ironie und Melancholie

Eine zentrale Charakteristik von Kalékos Dichtung ist die Mischung aus Ironie und Melancholie, die ihre Werke durchzieht. Sie hatte ein feines Gespür für die kleinen Tragödien und Komödien des Alltags, die sie oft mit einem Augenzwinkern, aber auch mit einem tiefen Verständnis für menschliche Schwächen darstellte. Ihre Ironie ist niemals verletzend, sondern sanft und mitfühlend, während die Melancholie ihrer Gedichte eine leise, aber beständige Präsenz hat. Diese Balance zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit verleiht Kalékos Werk eine besondere Tiefe und Resonanz, die bis heute ihre Leser berührt.

Zugänglichkeit und sprachliche Klarheit

Kalékos Gedichte zeichnen sich durch eine bemerkenswerte sprachliche Klarheit und Zugänglichkeit aus. Sie verzichtete auf komplizierte Metaphern und schwer verständliche Bilder zugunsten einer klaren, direkten Sprache, die dennoch poetisch und ausdrucksstark ist. Diese Klarheit ermöglichte es ihr, eine breite Leserschaft zu erreichen und Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten anzusprechen. Ihre Fähigkeit, komplexe Gefühle und Situationen in einfachen Worten auszudrücken, machte sie zu einer Dichterin, die sowohl literarisch anspruchsvoll als auch allgemein verständlich war. Diese Qualität ihrer Dichtung trug wesentlich zu ihrer Popularität bei und sicherte ihr einen festen Platz in der deutschen Literatur.

Kulturelle Vielfalt und Identitätssuche

Mascha Kaléko, die in einer jüdischen Familie in Galizien geboren wurde, war eine Dichterin, die stark von ihrer kulturellen Herkunft und den Erfahrungen der Migration geprägt war. Die Suche nach Identität und Zugehörigkeit ist ein wiederkehrendes Thema in ihrem Werk. Kaléko verstand sich als Teil einer multikulturellen Welt, was sich in ihren Gedichten widerspiegelt, in denen sie die Erfahrungen des Exils und der Fremdheit literarisch verarbeitet. Ihre kulturelle Vielfalt ermöglichte es ihr, die Brücken zwischen verschiedenen Welten zu schlagen und die Spannungen und Reichtümer zu erkunden, die aus solchen Begegnungen entstehen. Kaléko bleibt eine wichtige Stimme für das Verständnis der komplexen Identitätsfragen, die durch Migration und Exil aufgeworfen werden.

Resilienz und Anpassungsfähigkeit

Trotz der vielen Herausforderungen, denen Mascha Kaléko in ihrem Leben gegenüberstand – darunter das Exil in den Vereinigten Staaten und später in Israel, sowie der Verlust ihrer Heimat und sozialen Wurzeln – zeigte sie eine bemerkenswerte Resilienz und Anpassungsfähigkeit. Ihre Gedichte spiegeln oft die Trauer und den Schmerz wider, die sie in diesen Jahren erlebte, aber sie zeigen auch eine unerschütterliche Stärke und die Fähigkeit, selbst in schwierigen Zeiten Trost in der Poesie zu finden. Kaléko nutzte ihre schriftstellerischen Fähigkeiten, um mit ihren Erfahrungen umzugehen und ihren Platz in einer oft feindseligen Welt zu behaupten. Diese Widerstandskraft und ihr ständiger Kampf um künstlerische und persönliche Selbstbestimmung machen sie zu einer inspirierenden Figur.

Lebensweisheit und Humor

Ein weiterer wichtiger Aspekt von Kalékos Persönlichkeit und Werk ist ihr Humor, der oft in Verbindung mit einer tiefen Lebensweisheit auftritt. Trotz der schwierigen Umstände ihres Lebens bewahrte sie sich eine optimistische Sicht auf die Welt, die in ihren Gedichten immer wieder zum Ausdruck kommt. Ihr Humor ist subtil, oft von einer leisen Ironie geprägt, und verleiht ihren Texten eine Leichtigkeit, die sie besonders ansprechend macht. Diese Mischung aus Humor und Weisheit gab ihren Lesern oft Trost und Ermutigung, selbst in den düstersten Zeiten. Kalékos Fähigkeit, das Leben mit einem Lächeln zu betrachten, war eine ihrer größten Stärken und ein wesentlicher Grund für die anhaltende Beliebtheit ihrer Werke.

Einfluss und Vermächtnis

Mascha Kaléko hinterließ ein bedeutendes literarisches Vermächtnis, das bis heute von vielen geschätzt und bewundert wird. Ihre Gedichte wurden zu einer wichtigen Stimme für die Generation der Zwischenkriegszeit und des Exils, und ihre Werke finden auch in der Gegenwart noch viele Leser. Kalékos Einfluss reicht über die literarische Welt hinaus; sie wird auch als kulturelle Ikone gesehen, die den Schmerz und die Sehnsucht einer ganzen Generation zum Ausdruck brachte. Ihr Vermächtnis lebt in den Herzen ihrer Leser weiter und in der Art und Weise, wie sie die menschliche Erfahrung auf eine Weise eingefangen hat, die zeitlos und universell ist.

Schlusswort

Mascha Kaléko war eine Dichterin, deren Werk und Leben von einer tiefen Sensibilität für die menschliche Erfahrung geprägt waren. Ihre Gedichte, die durch sprachliche Klarheit, Ironie, Melancholie und eine bemerkenswerte Lebensweisheit bestechen, haben ihr einen festen Platz in der deutschsprachigen Literatur gesichert. Kalékos Fähigkeit, ihre eigenen Erfahrungen von Verlust, Exil und Identitätssuche in eine universelle Sprache zu übersetzen, macht sie zu einer zeitlosen Stimme, deren Werke auch heute noch relevant und berührend sind. Ihr Vermächtnis bleibt eine inspirierende Quelle für alle, die nach Trost und Verständnis in der Literatur suchen.


Gedichtauswahl aus dem 1930er Jahren.

Großstadtliebe

Man lernt sich irgendwo ganz flüchtig kennen
Und gibt sich irgendwann ein Rendezvous.
Ein Irgendwas, `s nicht genau zu nennen -
Verführt dazu, sich gar nicht mehr zu trennen.
Beim zweiten Himbeereis sagt man sich "du".

Man hat sich lieb und ahnt im Grau der Tage
Das Leuchten froher Abendstunden schon.
Man teilt die Alltagssorgen und die Plage,
Man teilt die Freuden der Gehaltszulage,
...Das Übrige besorgt das Telephon.

Man trifft sich im Gewühl der Großstadtstraßen.
Zu Hause geht es nicht. Man wohnt möbliert.
Durch das Gewirr von Lärm und Autorasen,
Vorbei am Klatsch der Tanten und der Basen
Geht man zu zweien still und unberührt.

Man küßt sich dann und wann auf stillen Bänken,
Beziehungsweise auf dem Paddelboot.
Erotik muß auf Sonntag sich beschränken.
...Wer denkt dran, an später noch zu denken?
Man spricht konkret und wird nur selten rot.

Man schenkt sich keine Rosen und Narzissen,
Und schickt auch keinen Pagen sich ins Haus.
Hat man genug von Weekendfahrt und Küssen,
Läßt mans einander durch die Reichspost wissen.
Per Stenographenschrift ein Wörtchen: "aus"!




Kinder reicher Leute

Sie wissen nichts von Schmutz und Wohnungsnot,
Von Stempelngehn und Armeleuteküchen.
Sie ahnen nichts von Hinterhausgerüchen,
Von Hungerslöhnen und von Trockenbrot.

Sie wohnen meist im herrschaftlichen Haus,
Zuweilen auch in eleganten Villen.
Sie kommen nie in Kneipen und Destillen,
Und gehen stets nur mit dem Fräulein aus.

Sie rechnen sich jetzt schon zur Hautevolée
Und zählen Armut zu den größten Sünden.
Nicht mal ein Auto...? Nein, wie sie das finden!
Ihr Hochmut wächst mit Pappis Portemonnaie.

Sie kommen meist mit Abitur zur Welt,
Zumindest aber schon mit Referenzen -
Und ziehn daraus die letzten Konsequenzen:
Wir sind die Herren, denn unser ist das Geld.

Mit vierzehn finden sie, der Armen Los
Sei zwar nicht gut. Doch werde übertrieben.
Mit vierzehn schon! - Wenn sie doch vierzehn blieben.
Jedoch die Kinder werden einmal groß...




Interview mit mir selbst

Anno Zwounddreißig
Ich bin als Emigrantenkind geboren
In einer kleinen, klatschbeflißnen Stadt,
Die eine Kirche, zwei bis drei Doktoren
Und eine große Irrenanstalt hat.

Mein meistgesprochnes Wort als Kind war "Nein".
Ich war kein einwandsfreies Mutterglück.
Und denke ich an jene Zeit zurück -
Ich möchte nicht mein Kind gewesen sein.

Im Ersten Weltkrieg kam ich in die achte
Gemeindeschule zu Herrn Rektor May.
Ich war schon sechs, als ich noch immer dachte,
Daß, wenn die Kriege aus sind, Frieden sei.

Zwei Oberlehrer fanden mich begabt,
Weshalb sie mich, zwecks Bildung, bald entfernten.
Doch was wir auf der Hohen Schule lernten,
Ein Volk "Die Arier" ham wir nicht gehabt.

Beim Abgang sprach der Lehrer von den Nöten
Der Jugend und vom ethischen Niveau.
Es hieß, wir sollten jetzt ins Leben treten.
Ich aber leider trat nur ins Büro.

Acht Stunden bin ich dienstlich angestellt
Und tue eine schlechtbezahlte Pflicht.
Am Abend schreib ich manchmal ein Gedicht.
Mein Vater meint, das habe noch gefehlt.

Bei schönem Wetter reise ich ein Stück
Per Bleistift auf der bunten Länderkarte.
An stillen Regentagen aber warte
Ich manchmal auf das sogenannte Glück.
1933 - Das Lyrische Stenogrammheft. Verse vom Alltag
1935 - Das kleine Lesebuch für Große. Gereimtes und Ungereimtes, Verse
1945 - Verse für Zeitgenossen
1945 - Emigranten-Monolog
1956 - Das Lyrische Stenogrammheft. Verse vom Alltag (Reprint)
1961 - Der Papagei, die Mamagei und andere komische Tiere
1967 - Verse in Dur und Moll
1968 - Das himmelgraue Poesiealbum der M.K
1971 - Wie''s auf dem Mond zugeht
1973 - Hat alles seine zwei Schattenseiten

Postume Publikationen

1976 - Feine Pflänzchen. Rosen, Tulpen, Nelken und nahrhaftere Gewächse
1977 - Der Gott der kleinen Webfehler
1977 - In meinen Träumen lautet es Sturm. Gedichte und Epigramme aus dem Nachlass
1979 - Horoskop gefällig?
1980 - Heute ist morgen schon gestern
1981 - Tag und Nacht Notizen
1984 - Ich bin von anno dazumal
1984 - Der Stern, auf dem wir leben

Name:Golda Malka Aufen

Alias:Mascha Kaléko

Geboren am:07.06.1907

SternzeichenZwillinge 22.05. - 21.06

Geburtsort:Österreich-Ungarn (heute Polen).

Verstorben am:21.02.1975

Todesort:Zürich (CH).